Die letzte Delikatesse

Vier Aufführungen der szenischen Lesung "Die letzte Delikatesse" von Muriel Barbery in der Steinsmühle im Schrumpftal im Juni 2015:

Ein zauberhaftes Menü aus Geschichte, Schauspiel, Musik, Essen, Kunst und eben ... dem Leben.

"Wie kann man sich nur so quälen wegen eines Gerichts, wenn man doch sterben wird?" fragte sich händeringend Violette, die Gouvernante (dargestellt von Sandra Gries, bzw. Sonja Hömig) im Hause des großen Restaurantkritikers Pierre Arthens. Doch dieser quälte sich beharrlich durch seine Erinnerungen an die außergewöhnlichsten Delikatessen seines Lebens. Einmal war es die rohe Tomate, kaum gepflückt, im Garten verschlungen, ein im Mund zerstiebender Wasserfall. Ein anderes Mal enthüllte vom ersten bis zum letzten Bissen das Fladenbrot seinen Facettenreichtum und seine organische Elastizität. Helmut von Scheven beschrieb diese Ausflüge in die Welt der kulinarischen Genüsse mit einer solchen Intensität, dass den Zuhörern/innen das Wasser im Munde zusammen lief.

Gleich vierzehn Mal begleiteten die Gäste der "Auberge Schromb Elysee" in dem Stück "Die letzte Delikatesse" von Muriel Barbery den Maitre auf der Suche nach dem ultimativen Geschmack. Die "Mörzer Rezitäter" inszenierten diesen opulenten französischen Roman in gekürzter Form als Wechselspiel zwischen diesen Erinnerungen und den Auftritten seiner zahlreichen Wegbegleiter, die allesamt ein vielschichtiges Bild des Kritikerpapstes zeichneten.

Die Concierge Renee (Martina Brück) plagte sich mit seinen Nobelsorgen, seine erwachsenen Kinder Laura (Dörte Schuda) und Jean (Ralph Ballhausen), sowie seine Enkelin Lotte (Dorotee Höhr) ließen kein gutes Haar an dem Alten, war er für sie doch nur ein egozentrischer Tyrann. Auch Gegene, der Bettler (Walter Ritzenhofen), von ihm missachtet, hatte nur ein "krepier nur an all deinem Geld" für ihn übrig. Georges, der Restaurantkritikerzögling (Pierre Schröder), Chabrot, der Arzt (Jürgen Hermann) und Paul, sein Neffe (Jörg Wiederhold) schwankten zwischen Bewunderung und Selbstzweifel, während sich seine Frau Anna (Irene Ruscheinsky) in verklärter Weise wehmütig in Lebenslügen verstrickte. Wie auch Laure, die Geliebte: Bettina Kreiling nahm auf beeindruckende Art das Publikum mit in die Abgründe der Heimlichkeit, des Ehebruchs und des verbotenen Sex, aber auch der Gleichgültigkeit und der fahlen Oberflächlichkeit. Ähnlich erging es Marquet, der Restaurantchefin und Geliebten (Sabine Heidermann): die besten Gerichte und ihren Hintern darbietend, erkannte sie in ihm dennoch nur den "ausgemachten Lump".
Nur Rick, sein Kater, fühlte sich vom Meister geliebt und umschmeichelt. Im ausgedehnten Rheinhessisch breitete dabei Josef Luy das "onsichardische" Katerleben vor den amüsierten Zuschauern aus. Lasziv, ja fast schon wollüstig erfüllte Uschi Höppe dagegen ihre Rolle als Venus, einer sprechenden Elfenbein-Statue: alles an ihr fordere die Sinne heraus, eher Frau als Gazelle; jedoch nur kurz auflebend im Schein seiner Arbeitslampe.

Alle diese Protagonisten, weiß gekleidet und charaktergerecht geschminkt (von Elke Durben- Wiederhold) wurden jeweils von einem Portier (Martin Greune) auf perfekt lässige Art vorgestellt. So auch die einzelnen Kapitel der "Genuss-Suche", die darüber hinaus noch als großformatige Plakatmalereien (von Klaus Groß) die Wände der Mühlen- und Restaurant-Scheune schmückten. Musikalisch sorgte zwischendurch Chansonnier Günther Ratzke für das entsprechende französische Flair, unterstützt von Anton Posteuka am Akkordeon.

Neben dem Hauptdarsteller Helmut von Scheven, der hinter einer Wechsellicht-Kulisse in seinem Sterbezimmer direkt über der Küche thronte und eine unglaubliche Präsenz erzeugte, zeigten sich die drei Köchinnen Sabine Heidermann, Marlene Kasper und Beate Neier als die wahren Stars dieser Aufführungen. In einer offenen Küche zauberten sie die schmackhaftesten und verführerischsten Gerichte und bestachen mit einem fast lautlosen Handling.

Natürlich durften diese kulinarischen Erzeugnisse anschließend verkostet werden, wie auch am Ende "die letzte Delikatesse": Chouquettes (Windbeutel) aus dem Supermarkt!
Zum Schluss dankte Regisseur Klaus Groß noch dem Ensemble für die professionelle Vorleseleistung und das außerordentliche Engagement vor und während der vier Aufführungen, dem Hausherren Heinrich Weber für die großzügige Überlassung der Mühlenanlage und dem Publikum für die geduldige Aufmerksamkeit.
Die Mörzer Rezitäter verabschiedeten sich dann unter stehendem Applaus mit "Non, je ne regrette rien" und "Oh Schromb Elysee" und sagten ...

... au revoir, bis zum nächsten Mal!


Der Trailer zu "Die letzte Delikatesse":

 


Bilder einer Vorstellung:


Die kulinarischen Themen:

Die kulinarischen Themen

Es geben ihren Senf dazu:

Renee - Concierge
Laura - Tochter
Georges - Restaurantkritikerzögling
Jean - Sohn
Violette - Putzfrau/Gouvernante
Chabrot - Arzt
Gegene - Bettler
Lotte - Enkelin
Venus - Elfenbein-Statue
Anna - seine Frau
Rick - Kater
Laure - Geliebte
Marquet - Köchin, Restaurantchefin, Geliebte
Paul - Neffe

 

Die Darsteller:

Helmut v. Scheven

Martina Brück, Dörte Schuda, Pierre Schröder, Ralph Ballhausen, (Martin Greune), Sonja Brungs, Jürgen Hermann, Walter Ritzenhofen, Sandra Gries, Dorotee Höhr, Uschi Höppe, Irene Ruscheinsky, Josef Luy, Bettina Kreiling, Sabine Heidermann und Jörg Wiederhold.

Portier: Martin Greune
Musikalische Begleitung: Günther Ratzke, im Hof mit Anton Posteuka
"Auberge Schromb Elysee": Sabine Heidermann, Marlene Kasper, Beate Neier
Technik: Ralph Ballhausen, Jörg Wiederhold
Gastgeber Haus und Hof: Heinrich Weber (Henri Tisserant)
Konzeption, Textbearbeitung, Grafik und Projektleitung: Klaus Groß und die Rezitäter.

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